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Malerei der drei Sinne

Reinhold Pratschner ist ein privilegierter Künstler, da ihm seine Mentoren immer Ratschläge erteilt haben, ohne ihm einen Weg zu weisen. Diesen hat er sich selbst finden müssen. Als Architekt kann er es sich erlauben, die Leinwände nach seinen Vorstellungen zu gestalten und dabei konkrete Projektionen seiner Imagination einzuflechten.
Pinsel und Spachteln durchpflügen die Leinwand wie Ackergeräte, die den Boden für die Saat vorbereiten. So entstehen Werke, die nicht nur den Sehsinn miteinbeziehen, sondern auch den Tastsinn (oft sind beim Schaffen auch die Hände im Spiel und man bekommt Lust, die Werke zu berühren) sowie den Geruchssinn (die Ölfarben breiten ihren charakteristischen Geruch weiterhin aus). Betrachten wir unsere arme Erde von oben, von einem Flugzeug aus, kommen wir nicht umhin, uns über die verblüffende geografische Ordnung mit den klar definierten Anbauflächen der zahllosen Eigentümer zu wundern, eine neben der anderen, von einem Ende der Welt zum anderen. Auch Reinhold Pratschner betrachtet die Welt von oben, tut dies aber auf die ihm eigene großzügige Art und Weise, mit dem ehrlichen Blick desjenigen, der die Dinge so sieht und erzählt, wie sie eben sind. Die ausgebreitete Landschaft wird aber nicht wie von Vermessern des öffentlichen Eigentums gelesen, die selbige in einen Kataster eintragen wollen, sondern sie wird beobachtet und beschrieben, fast als wäre sie ein psychoanalytischer Fleck. Die Grenzlinien und Besitztümer lösen sich auf, übrig bleiben die Böden mit ihren Merkmalen, wo die Natur selbst zu uns spricht. Es ist immer gefährlich, abstrakte Kunst zu interpretieren. Dies sollte eigentlich unterbleiben. Dennoch, so wie sich Reinhold Pratschner Gedankenfreiheit erlaubt, so wollen auch wir es uns erlauben, den Gedanken freien Lauf zu lassen.

Rot, Gelb, Schwarz, Grün, Ocker führen uns zurück in ursprüngliche Welten aus 'Feuer', 'Rauch', 'Erde', 'Wasser', 'Hitze', 'Schatten', der Farbe 'Rot', der Farbe 'Schwarz' und zu davon abgeleiteten oder sekundären Realitäten, wie 'Wolken', 'Pferd', 'Knolle', 'Knochen', 'Sand', 'Stein' und schlussendlich sogar 'Gedanke' oder 'Dunkelheit'.

Das sind alles Titel seiner Bilder.

Die Farbe als absoluter Protagonist der Material-Malerei von Reinhold Pratschner setzt auf die musische Leinwand seiner Bilder die gewichtigen und bewegenden Noten eines zeitgenössischen Cellos, sie schreibt diese darauf nieder und graviert sie ein. Reinhold Pratschner hat in Sofia, Belgrad und Kiew gelebt und in jeder dieser Städte hat er sich erfolgreich mit den bulgarischen, serbischen und ukrainischen Künstlern auseinandergesetzt. Auch von Mailand aus, wo er heute lebt, versucht Pratschner die italienische Welt zu begreifen, sei es nun die Welt der Kunst oder die soziale Umwelt. Er tut dies, indem er seine Drohne aussendet, den "Stiefel" zu perlustrieren. In seinem Tiroler Heimatort Hochfilzen, nahe Kitzbühel im Herzen der österreichischen Alpen gelegen, werden regelmäßig Biathlonwettkämpfe ausgetragen, ein Kombinationssport bestehend aus Skilanglauf und Schießen. Das Gelingen dabei verlangt Ausdauer, Mühe, Ruhe und Präzision im richtigen Augenblick. So entstehen auch die Bilder von Reinhold Pratschner, dem Sohn und Vater der Farben und deren Kombinationen von Gelb und Schwarz, Rot und Gelb, Grün und Schwarz.

Während der ersten Jahre seiner Karriere fördert ihn Evi Fersterer, später wird er von Inge C. Pohl in das grenzenlose Universum der abstrakten Kunst eingeführt. Zuweilen macht sich der Architekt in ihm bemerkbar. In einigen Bildern wird er zum dreidimensionalen Künstler, er läßt Drähte und Strukturen aus Eisen hervortreten, die wie Käfige und Behälter von Luft anmuten.

Auch Reinhold Pratschner hat eine Feindin, von der er gehört hat, die er aber nicht kennen lernen will: die List. Sein Weg ist wahrhaftig, verschlungen, lang und komplex. Er nimmt keine Abkürzungen.