Die Malerei des österreichischen Künstlers Reinhold Pratschner hat einen ausgeprägt expressionistischen Charakter. Offensichtlich ist, dass dieser Maler zur schaffenden Aktion vom erlebten Gefühl, herausgefordert durch die Wirklichkeit und deren Manifestation, bewegt wird. Diesen Manifestationen stellt sich der Maler nicht mit seiner philosophischen Bestimmung, sondern mit der Darstellung eines eigenen malerischen Standpunktes, mit der Definition seines malerischen Ausdrucks und der eigenen malerischen Poetik gegenüber. Pratschners Bilder sind ein authentisches malerisches Zeugnis über den Bewusstseinsstand des Malers gegenüber den Herausforderungen der Welt und der Zeit, in der er lebt und schafft. Die Bilder von Reinhold Pratschner werden mit gestenhaften Zügen gemalt, jenen Gesten, mit denen die Urerlebnisse und primären Emotionen aufgezeichnet und definiert werden. Der Maler trägt die Farbe sehr oft mit der Spachtel auf, womit er ihre Eigenständigkeit und die Reliefhaftigkeit potenziert. Die Farbe, ihre malerische Kraft, ihre psychologische Wirkung und ihre materielle Erscheinung sind also suggestive Verkünder eines subjektiven malerischen Gedankens. Auf jeden Fall stützt sich Pratschner auf malerische Elemente, deren Primat er respektiert. Sie sind die Grundlage seines künstlerischen Ausdrucks.
Die Bilder, die in den letzten Jahren entstanden sind, haben einen "persönlichen" Zusatz. Auf die bemalte Bildoberfläche werden vom Künstler zahlreiche Applikationen inkorporiert. Haupsächlich handelt es sich um kein Maler-Material (Draht, Kunststoff, Harz), mit dem die fühlbaren Werte der malerischen Einheit verstärkt werden. Hier beginnt eigentlich die zweite, post-malerische Entstehungsetappe der Bilder von Pratschner. Diese Etappe ist Ausdruck des Wunsches des Künstlers, mit seinen Versuchen eigene Gefühle "zu illustrieren" zu überzeugen, diese zu vergegenständlichen, die Gefühle wahr und tastbar zu machen. Am überzeugendsten wirkt eine Drahtzeichnung, welche über eine malerische Textur gespannt ist. Diese vergegenständlichten Linien sprießen aus einem dicken Farbauftrag empor und erheben sich über die Bildoberfläche, wo sie sich begegnen, sich ineinander verflechten, in verschiedenen Richtungen dahinziehen, um daraufhin wieder in die Struktur des Farbauftrags oder in die Weite der bemalten Leinwand zu tauchen. In der Verbreitung des Liniengefüges ist Pratschner sehr inventiv, weshalb in gewissen Beobachtungsmomenten der Betrachter vor dem Dilemma steht, ob diese Linien gemalt, materialisiert oder es sich gelegentlich nur um Schatten auf einer farbigen Oberfläche handelt... Auf jeden Fall erscheinen diese Drahtapplikationen als sichtbare Elemente, mit denen die Kohärenz des ganzen plastischen Wesens der Bilder von Pratschner verstärkt wird.
Gleichzeitig zeugt ein derartiges Schaffen der Bild-Installation davon, dass die künstlerische Reaktion von Reinhold Pratschner sowohl intuitiv als auch rational ist. Intuitiv, weil sie eine Entwicklung der künstlerischen Spontaneität bis hin zu ihren äußersten Grenzen zulässt und rational aufgrund der Tatsache, dass die Tat des Malens an sich die Folge einer mentalen Strategie ist, die in der post festum Periode des Malens mit spezifischen, nicht malerischen Aktivitäten gekrönt wird. Dies verleiht Pratschners Expressionismus einen eigenwilligen Charakter. Denn hier handelt es sich nicht um einen charakteristischen intuitiven oder instinktiven subjektiven Emotionserguss, sondern um die Strukturierung des plastischen Wesens des Bildes, um die Charakterisierung der eigenen malerischen Sensibilität, um die Ergründung der Kraft des persönlichen malerischen Ausdrucks sowie der Bestimmung des Verhältnisses des Malers Reinhold Pratschner gegenüber der Welt und der Zeit in der er lebt und schafft.